HfG Offenbach

Agenten im öffentlichen Raum
Die Hochschule für Gestaltung Offenbach zu Gast beim Paraflows-Festival

Elektronische Medien, das Lehrgebiet von Prof. Ulrike Gabriel an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main (www.hfg-offenbach.de), ist Teil des Studienschwerpunkts Medien (zusammen mit Fotografie und Film/Video) im Fachbereich Visuelle Kommunikation an der Hochschule. Elektronische Medien ist ein experimentelles und konzeptionelles Fach zur Erforschung, Entwicklung und Vermittlung von Erscheinungsformen der digitalen Medien in Kunst und Gestaltung. Durch Konvergenzen inhaltlicher und technologischer Art werden hybride, interdisziplinäre Formen und Formate, einschließlich dazugehörender Peripherien bearbeitet und erforscht. In den Werkstätten, Labors und Ateliers werden kontinuierlich, wie auch in Workshops sowohl die digitalen Computer- und Medientechnologien als auch analoge und klassische gestalterisch-künstlerische Techniken vermittelt und erforscht. Die Lehre wird durch medienrelevante Theorie-Fächer unterstützt.

Agenten

Während des Paraflow Festivals betreiben Studierende des Lehrgebietes Elektronische Medien „urban hacking“ in Wien. Der HfG-Container ist dabei die Bodenstation für Aktionen und die Zentrale, in der die Informationen zusammenlaufen und dokumentarisch archiviert und gezeigt werden. Von hier aus intervenieren die Künstler in die Stadt hinein. Die aktuellen Aktionen im Stadtraum werden digital in den Container zurückgemappt.

Die Künstler sind Agenten – sie agieren und intervenieren persönlich und unmittelbar in Livesituationen mit dem urbanen Environment. Die dabei applizierten Handlungssysteme ähneln einfachen Programmen, die auf den Stadtraum übertragen werden, sich dort einnisten, ausbreiten und einen interaktiven Handlungsspielraum eröffnen. Sie evozieren selbstlaufende Prozesse. Einer viralen Fortpflanzung gleich infiszieren sie die anvisierten Objekte und Subjekte mindestens mit ihrer Botschaft, wenn nicht sogar mit dem Handlungsprinzip selbst.

Agents in the Public Space
The Offenbach Academy of Art and Design Hosted By the paraflows Festival

The study program Visual Communications at the Offenbach Academy of Art and Design qualifies students to work as art designers in the fields of visual communication, visual arts, and media. The course of studies focuses on the areas of art, communication design, media, and stage design, and gives students an opportunity to develop their creativity by way of experimental explorations. The overall aim of the program is that students acquire artistic,
aesthetic, academic and technical skills, become proficient in working methodically and implementing different techniques and develop their faculty of aesthetic judgement. Not only digital computer and media technologies, but also analog and classical techniques of art and design are taught and investigated in the Academy’s workshops, labs, and studios. This training is completed by various theoretical courses. The media department comprises the areas of photography, film/video, and electronic media. The selection of works shown at the festival stem from the subject area electronic media, which
specializes in the research, development and teaching of forms of appearance of digital media in art and design. By utilizing convergences between its content and its technology, its hybrid interdisciplinary forms and formats are shaped, including the respective periphery.

Agents

During the paraflows festival, the students will do “URBAN HAC KING” onsite. The Academy’s container will serve as the base for various actions where information is centrally collected, archived, and put on display. From here, the artists will intervene in the city. The actions taking place will be digitally mapped back into the container.

The artists are agents – they act and intervene personally and immediately in live situations of the urban environment. The systems of interaction thereby applied resemble simple programs that after having been adapted to the urban space, somehow settle there and spread, thereby opening up that space for a certain kind of interactivity. They evoke autopoietic processes. Like a virus they infect the objects and subjects they aim at, at least with their message, if not with the principle of their actions itself.

Hye-Joo Jun

Hye-Joo Jun druckt Sätze so klein auf transparente Folie, dass sie mit bloßem Auge nicht mehr lesbar sind und klebt diese auf die Scanfläche von öffentlich zugänglichen Kopiergeräten. Auf den Kopien erscheint der Satz dann als „Kopierfehler“, erst mit der Lupe betrachtet gibt er seinen Inhalt preis. So getarnt begeben sich die Botschaften auf die Reise, um auf Dokumente, in Aktenordner und Archive zu wandern.

Hye-Joo Jun prints sentences on a transparent foil, so small that they cannot be read with the bare eye; he then attaches those foils to the scanners of copying machines. On the copies made with those machines, the sentence then appears as if it was a distortion, only with a magnifying glass can its content be revealed. So concealed, the messages commenced on a journey, to end up on documents, in files, and in archives.



Ein Zettel mit der Aufschrift „Privat“ ziert einen Gegenstand im öffentlichen Raum – Bekanntmachung einer unbekannten Instanz oder Infragestellung des Prinzips Besitz/Eigentum an sich? Hye Joo Juns Markierungs-Objekte lassen sich in vielfältiger Weise auf den öffentlichen Raum applizieren: auf Sitzbänke, öffentliche Plätze, Treppen und Parkflächen. Während bereits gesetzte Markierungen den Passanten vor die Frage stellen, wie mit diesem behaupteten Privateigentum umzugehen sei, kann gleichzeitig jeder selbst die Initiative ergreifen und sich mit den von Hye Joo Jun angebotenen Markierungs-Objekten sein privates Stückchen Stadtraum erobern.



Sandra Daniela Heinz

Sandra Daniela Heinz´“Checkpoint“ ist ein sprachlich inszeniertes Überwachungsszenario, bei der von einer versteckten Quelle aus nicht vorhersehbar Sätze in den öffentlichen Raum gesprochen werden. Wie eine imperative Zugansage weist eine Stimme Passanten dazu an, zu  unterlassen, was durch das Raster der Überwachung fallen könnte.

Sandra Daniela Heinz’ “Checkpoint” is a surveillance scenario that is staged by means of language, from a hidden source, statements are uttered into the public space unpredictably. Similar to announcements on train stations, but more imperative in nature, the voice tells passersby to refrain from doing anything that may attract the surveillers’ attention.



Sabrina Winter

Sabrina Winter appliziert ihre Aktions-Aufforderung „nach Vorn“ auf Waren in Kaufhäusern und Läden. Sie formatiert dabei die Auslagen um und installiert ein neues, subjektives Wertesystem, indem sie die gewinnorientierte und konsumgerichtete Positionierung von Produkten mit ihrer subjektiven und inhaltsorientierten Auswahl überschreibt. Sie fordert die Konsumenten auf, dasselbe zu tun. Diese profitieren nicht vom Wert der Ware und können die Auslagen so mit einer der Konsumschleife entgegenlaufenden Energie aufladen.

Sabrina Winter applies her order to act – “forward” – to commodities in stores and retail shops. So she re-models the displays and installs new values, by overriding the usual way in which in which their content, the commodities, is presented as to satisfy the demands of advertisement. She invites passerby to do the same. Those, not profiting from the commodity’s value, may, not being bound by any purpose and being guided only by their good motivation and the content, charge the product with some kind of energy that runs counter to the cycle of consumption.



Das von Sabrina Winter entwickelte „Internet“ zeigt einen Überblick über das Netz. Es blickt dabei hinter die Oberfläche der Browser auf seine Datenmasse, ohne vorgeschaltete Filter und Selektionskriterien. Das Programm erzeugt neue Information über das Vorhandensein von Webseiten, die sonst nicht zu finden sind und stellt so eine ständige Erweiterung des virtuellen Raumes dar. Bei Google beispielsweise tauchen Seiten zu welchen nicht von andernorts verlinkt wurde erst gar nicht auf, der Generator findet solche Seiten aber. Er erzeugt hierzu zufallsgesteuert hypothetische Internetadressen und überprüft dann, ob diese auch in der Wirklichkeit vorkommen. Bei der Verteilung des Zufalls über die virtuelle Weltkarte wird differenziert, um so nah wie möglich an die Wesenheit  dieser Datenmasse heranzukommen. Beispielsweise sind .com,.org und .de die am häufigsten genutzten Domains, und deshalb werden Adressen dieser Domains auch häufiger generiert und getestet als andere Adressen.

Another project of Sabrina Winter, the “Internet,” shows an overview of the net. It looks beneath the surface of the browser, directly on its data, without filters or selection criteria. The programgenerates new information about the being-there of websites, which otherwise could not be found and thereby expands the virtual space. E.g., sites not linked to elsewhere do not even show up in Google, yet the generator finds them. It does so by creating hypothetical internet addresses at random and then testing whether those addresses happen to actually refer to something. Chance is distributed evenly over the virtual world map to represent the essence of this data mass as accurately as possible. E.g., .com., .org, and .de are the domains used most often, therefore addresses belonging to those domains are created and tested more frequently than others.


 
Sabrina Winters „Weltformelgenerator“ ist mit dem Versuch beschäftigt, die Welt in eine winzige Formel zu packen. Was muss eine Weltformel beinhalten? Würden wir sie überhaupt erkennen wenn sie vor uns stünde? Die generierten Formeln sind durchaus komische und dabei treffende Hybridisierungen aus wirtschaftlichen und philosophischen Begriffen mit einer wachsenden kollektiven subjektiv-emotionalen Begriffssammlung, die durch die Eingaben von Passanten entsteht.



Tatjana Matvejeva

Tatjana Matvejeva personifiziert den Zustand der Anonymität im urbanen Raum. Sie durchläuft „Anonym“, schwarz gekleidet und mit einer Strumpfmaske über dem Gesicht die Stadt, was per Video dokumentiert wird. Die Anonymität ist ephemer und nicht greifbar, auch ihre Erscheinung also wie ein Spuk und so wird sie nur vereinzelt von Passanten wahrgenommen. Erst in der dokumentarischen Wiederholung manifestiert sich dieses Bild - es ist erst abgeschlossen wenn es in der Ausstellung erscheint.

Tatjana Matvejeva personifies the state of anonymity in the urban space. Dressed in black, hidden under a stocking mask, she “anonymously” runs through the city, which is documented on video. The anonymity is like a phantom, its ephemeral and cannot be grasped, even its appearance thus elusive, so that only few passersby take notice of her. Only the documentary
repetition manifets the picture and only when it appears in the exhibition, it will be finished.



Anne Euler

Die direkte Übersetzung von körperlicher Arbeit in Strom ist immer noch eine seltene „Erfahrung“ und findet bei Anne Euler mit dem Strom statt, der auf einem elektrisch modifizierten Fahrad generiert beziehungsweise erfahren wird. Die Proportionen von Energieaufwand und -Konsum werden deutlich spürbar, so kann beispielsweise erst nach vier Stunden Fahrt eine Waffel gebacken werden.

To directly generate electricity by manual work is still an exotic “experience;” Anna Euler creates this experience with the electricity generated by, or experienced on, a modified bicycle. The proportions of energy costs and consumption can be felt directly – e.g., only after 4 hours of cycling can one eat a waffle.



"Une Caméra Traditionnelle" von Anne Euler funktioniert einen alten VW-Bus um zur überdimensionalen, mobilen Kamera. Durch ein kleines Loch in der Außenwand des Busses wird dieser zur Camera Obscura, in der auf großformatigem Fotopapier mit viertelstündiger Belichtungszeit Bilder belichtet werden, auf welchen der Innenraum der Kamera bespielt wird und mit dem Außenraum verschmilzt.

“Une Caméra Traditionelle” by Anna Euler remakes an old VW van into an oversized, mobile camera. A little hole in its outer wall renders the bus a camera obscura, within which pictures of the current situation – the one inside as well as the one outside of the car – are exposed on large-size photographic paper.



Tobias Hermann

Das Klang-Ambiente des Containers wird am haptisch-intuitiven „Papierplattenspieler – Modell Cesar“  von Tobias Hermann live erzeugt. Dieses digitale Musikinstrument ist ein energiesparendes Hybrid aus Abfallprodukten der heutigen Lebensmittelindustrie und Elektronik der 80er Jahre. Durch Auflegen lichtdurchlässiger Gegenstände wie beispielsweise Papierschnipsel entstehen loopende Tonabfolgen und Rhytmen.



Agenten: Camilo Bravo, Anne Euler, Sandra Daniela Heinz, Tobias Hermann, Shaowei Jia, Hye-Joo Jun, Yoonsun Kim, Kyung-Min Ko, Tatjana Matvejeva, Nils Wildegans, Sabrina Winter
Organisation: Prof. Ulrike Gabriel / Assistenz: Verena Friedrich
Technischer Support: Stefan Blanché